Eierstockkrebs

Psychoonkologie: Hilfe für die Seele bei der Diagnose Krebs

Fachleute mit psychologischer und onkologischer Ausbildung stehen Patientinnen mit Krebs zur Seite

Frau macht Yoga auf einem berg bei Sonnenaufgang. _Psyche und Krebs

«Wichtig ist zunächst, eine wirklich gesunde Selbstfürsorge zu erlernen, liebevoll mit sich umgehen zu lernen», weiss PD Dr. Judith Alder aus jahrelanger Praxiserfahrung. Für betroffene Frauen und Männer kann die Psychoonkologie sehr wertvoll sein. «Ein Psychoonkologe ist ein Psychologe oder Psychiater oder eine andere Fachperson mit einer Grundausbildung im psychosozialen Bereich. Hinzu kommt eine Spezialisierung in der Betreuung von Krebspatienten und ihren Angehörigen», erklärt Dr. Alder. Nicht allein die Patienten suchen diese Hilfe, oft kommen die Partner mit und es können auch die Kinder eingebunden werden.

Frau Dr. Alder, weshalb kann die Psychoonkologie eine wichtige Hilfe für Krebspatienten sein?

Diese Erkrankung wirft fast immer existenzielle Fragen auf, sie erfordert eine lange medizinische Therapie und sie reisst Menschen aus ihrem Berufsleben heraus. Darüber hinaus hat die Krankheit Auswirkungen auf das Funktionieren auf fast allen sozialen Ebenen. Die Aufgabe des Psychoonkologen liegt darin, die Betroffenen bei all dem zu begleiten.

Die Diagnose ist sicher zunächst ein Schock.

Richtig. Zu Beginn geht es darum zu verstehen, was diese Situation mit einem macht. In der gemeinsamen Arbeit müssen die Patienten mit ihren Reaktionen auf die Diagnose Krebs erst einmal aufgefangen werden. Dann werden im Rahmen der Psychoonkologie gemeinsam Strategien erarbeitet für die konkreten Aufgaben, die sich nun stellen. Häufig geht es um Entscheidungsprozesse und die Verarbeitung der komplexen medizinischen Informationen.

Welche konkreten Fragen stellen sich den Betroffenen?

Eine zentrale Frage in dieser Phase kann sein, ob und wie die Kinder informiert werden sollen. Oder auch: Wie reagiert der Partner auf die Diagnose, wie kommunizieren wir mit dem Umfeld? Es macht eigentlich fast jeder Patient die Erfahrung, dass es im Umfeld Menschen gibt, die sehr hilfreich sind. Und es gibt andere, die damit gar nicht umgehen können, die nicht gut unterstützen können.

In der Phase der Behandlung muss gelernt werden, mit den Gefühlen und Ängsten umzugehen.

Ganz genau, denn bei einer Operation kann ja ein ganzer Organtrakt verloren gehen. Es geht ganz grundsätzlich auch um Lebenspläne, die jetzt vielleicht anders aussehen. Die Psychoonkologie hilft, damit umzugehen.

Für eine Frau ist die Entfernung der weiblichen Organe ein tiefgreifender Einschnitt. Wie kann man damit umgehen?

Das wird sehr unterschiedlich erlebt. Es gibt viele Frauen, die angesichts der Diagnose Brustkrebs oder Eierstockkrebs sagen: Es ist einfach kein gesunder Teil mehr von mir – und was nicht gesund ist, das muss raus. Diese Frauen sehen es eher pragmatisch. Für andere ist mit diesen Organen viel mit ihrer Weiblichkeit verbunden, sie erleben es natürlich emotional ganz anders.

Der Aspekt Unfruchtbarkeit hat eine ganz spezielle Bedeutung.

Ja, gerade bei der Entfernung der Eierstöcke geht um den Lebensplan, aber auch um die Auswirkung auf die hormonelle Situation mit den entsprechenden Entzugserscheinungen. Denn es hat ja Auswirkungen auf das Wohlbefinden, wenn dieses hormonproduzierende Organ entfernt wird. Die sich daraus ergebenden Beschwerden lassen sich meist auch nicht völlig mit hormonsubstituierenden Medikamenten auffangen.

Das schwierigste Thema ist sicher eine terminale Diagnose. Was ist in dieser Phase besonders wichtig?

Hier gilt etwas, das eigentlich für alle Patienten gilt: Die meisten Betroffenen setzen sich zu sehr mit allen Möglichkeiten auseinander, wie es weitergehen könnte. Natürlich ist es auch wichtig, vorauszudenken. Doch gerade wenn eine Lebenserwartung nur noch kurz ist, dann ist es eben auch wichtig, sich folgende Fragen zu stellen: Was möchte ich noch erleben? Was möchte ich noch klären? Was möchte ich hinterlassen?

Das spielt ja für gesunde Menschen ebenfalls eine wesentliche Rolle: den Moment bewusst wahrzunehmen.

Ja, und wenn nur noch eine geringe Lebensdauer bleibt, ist es umso wichtiger, den Moment bewusst zu erleben. Denn wenn man zu sehr in der Zukunft ist, dann verpasst man das, was noch an Leben möglich ist. Deshalb werden häufig auch die achtsamkeitsbasierten Techniken in der Psychoonkologie gelernt und durchgeführt.

Unabhängig von den verschiedenen Phasen dieser Krankheit, was kann ein Patient selbst für sich tun?

Auch Folgendes gilt eigentlich für alle: Man ist mit der Krankheit sehr auf sich selbst zurückgeworfen. Deshalb ist man zunächst einmal gefordert, sich wirklich gut kennenzulernen und sich anzunehmen, wie man ist. Mit allen Ecken und Kanten. Dies ist nötig, um Frieden mit sich selbst zu schliessen. Dabei kann eine Psychoonkologie unterstützen.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Dr. Alder.
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